(Das Schneeglöckchen)
Ein Name wie aus edlem Haus,
klingt ganz nach Adel, Saus und Braus,
nach Schampus, Gehrock und Zylinder:
ein Prosit auf den Titelfinder!
Doch was dahinter sich verbirgt-
wie soll ich sagen: es bewirkt
zunächst einmal verblüfftes Schweigen.
Wie könnte man es anders zeigen,
dass –noch im Ohr den noblen Klang
des Namens- man nach Fassung rang?
Bei all der Pracht im Pflanzenreiche,
der doch wohl nichts und niemand gleiche,
erfülle einen schon mit Scham,
was da aus kalter Erde kam!
So äußert sich in Protzmanier
ein Pseudo-Rosenkavalier.
Mag sein: woanders in der Welt
blüht gerade, was noch mehr gefällt.
Bei uns jedoch, in unsern Breiten
braucht sich Galanthus kaum zu streiten.
Er neigt sein weiß behütet Haupt,
wissend dass jeder an ihn glaubt,
der –selbst bei Minustemperaturenschon
wandelte auf seinen Spuren.
Und eins ist sicher: erst im Lenz
entfaltet sich die Konkurrenz,
die ihn bei nem eventuellen
Treffen könnt in den Schatten stellen.
Doch über seine Schönheit spricht
der feine Herr Nivalis nicht,
um seinen Stand nicht zu verraten.
So sind sie, die Aristokraten!
Er also schweigt still und genießt,
wie er trotz rauhen Klimas sprießt.
Schon viele wollten ihn kopieren:
sie mussten elendig erfrieren!